Meine eigene Stillgeschichte ist relativ unspektakulär. Ich habe nicht besonders gerne, aber auch nicht ungerne gestillt. Ich fand es sehr wohl praktisch, perfekt temperierte Milch immer dabei zu haben, gleichzeitig tat ich mich damit schwer, dass ein kleines Wesen so absolut von mir und meinem Körper abhängig war. Als ich dann eine Krankheit diagnostiziert bekam (mehr dazu in einem anderen Blog) und starke Medikamente nehmen musste, wurde mir die Entscheidung, wann ich abstillen wollte, abgenommen. Ich stillte innert zwei Tagen mit Medikamenten ab und litt. Meine Brüste entzündeten sich, der Hormonabfall liess mich an die Decke gehen. Danach war alles wieder beim Alten und auch mein Sohn steckte das Umstellen auf die Flasche problemlos weg.
Gift in der Flasche
Dann kamen aber die Fragen. Was, du hast schon abgestillt? Ist es nicht schrecklich für dich, dein Kind nicht mehr stillen zu können? Und jetzt kriegt er Pulvermilch? Pulvermilch scheint unter den meisten Müttern etwa den Stellenwert von Rattengift zu haben. Ich wurde nicht verurteilt, aber doch bemitleidet. Hätte ich freiwillig abgestillt, wäre dies aber anders gewesen.
Ich störe mich sehr an dem sozialen Druck, der auf Mütter ausgeübt wird. Der jeder einzelnen, die nicht stillen möchte, das Gefühl gibt, eine schlechte Mutter zu sein. Eine, die eben nicht das Beste für ihr Kind will. Der suggeriert, das Frauen, die nicht stillen, ihrer von der Natur zugedachten Rolle nicht nachkommen. Dieser Still-Totalitarismus degradiert die Frau nicht zuletzt wieder zur Gebärmaschine und Ernährerin. Vor allem aber schafft er ungemein viel Stress bei ungemein vielen Frauen, der komplett unnötig ist.
Kreuzzug der Stilllobby
Dabei war Stillen einst Zeichen der Emanzipation: Sieben amerikanische Frauen gründeten die heute einflussreichste Stilllobby La Leche League (LLL) im Jahr 1956, um den Frauen die Macht über ihren Körper zurückzugeben. Damit wehrten sie sich dagegen, dass Geburt und Wochenbett immer mehr zur alleinigen Sache der Schulmedizin verkam. Die LLL erreichte, dass die Weltgesundheitsorganisation WHO in den 80er Jahren einen Verhaltenskodex verabschiedete, der die Werbung von Babynahrung stark einschränkte. Die LLL hat auch heute eine Beraterfunktion bei der WHO inne. Wenn die WHO also die Parole „Stillen ist das Beste!“ herausgibt, stützt sie sich auf Empfehlungen der LLL, welche wiederum ihre Linie damit rechtfertigt, dass die WHO Stillen für das Beste erklärt. Aber auch sonst war und ist die LLL durchaus erfolgreich: Krankenhäuser werden heute als stillfreundlich ausgezeichnet und Kinderärzte fragen irritiert nach, wenn eine Mutter bekundet, nicht zu stillen. Überall wird verkündet: Stillen ist das Beste für ihr Kind. Ich bin mir sicher: Das wissen wir nun. Und trotzdem geht die Propaganda weiter – weiter als früher – nämlich ins Private. Vor allem in Mutterforen im Internet wird verurteilt und belehrt, was das Zeug hält.
Was bekam ich für böse Nachrichten, als ich auf watson einen Artikel darüber verfasste, wie es einer Bekannten von mir in einem Still-Forum erging. Ich wurde beschimpft und verunglimpft – wie emotional das Thema Stillen für viele Frauen ist, wurde mir erst an diesem Punkt vollends klar. Und wie das so bei emotionalen Themen ist, werden eben genau diese Diskussionen nicht mehr konstruktiv geführt. Dabei finde ich, dass es genau diese bräuchte: Eine konstruktive Diskussion darüber, welchen Druck eben auch die totalitären Still-Verfechterinnen auf Mütter ausüben, die nicht stillen können oder aus persönlichen Gründen schlicht nicht wollen. Ich für meinen Teil möchte all diesen Frauen sagen: You’re great Moms!